Der „Bayerische Milchgipfel“ im PresseClub am 22. September 2016

Hoffen auf Entlastung durch steigende Abnahme-Preise und neue Märkte in Drittländern

Der „Bayerische Milchgipfel“ im PresseClub am 22. September 2016. Foto: Hans Schwepfinger.

Klare Worte und eine sachliche Standortbestimmung prägten die Expertendiskussion im Club:

Nein, der Wegfall der europäischen Milch-Quote war „nicht das eigentliche Problem“. Bereits ein Jahr vorher in 2014 steigerten die europäischen Milcherzeuger ihre Produktion um 10 Mrd. Kilo innerhalb eines Jahres. Das bedeutete etwa die Hälfte des Mengenwachstums aus den vorangegangenen acht Jahren. Besonders Deutschland „leide unter einer hohen Produktion bei zu schwacher Nachfrage“: Manfred Nüssel, der Präsident des Dt. Raiffeisenverbandes blickt auf das Problem aus marktwirtschaftlicher Sicht. Er sagt: Die deutschen Drittland-Exporte könnten sich fast verdoppeln, auf etwa 15% der Gesamtmenge. Bayern habe sogar einen Eigendeckungsgrad bei Milcherzeugnissen von über 160%. Zwar seien China und die Öl-Staaten zurückgefahren und Russland weggebrochen, doch sehe er weiteres Wachstumspotential in anderen Märkten. Ein Umdenken sei auch in der Neuentwicklung von Milchprodukten (z.B. im Tablettensektor) notwendig. Insbesondere die von der EU bereitgestellten Entwicklungstöpfe i.H. von 100 Mrd. €uro würden von deutschen Unternehmen nicht abgerufen. Mit Milch und Milchpulver alleine könne man auf dem Weltmarkt nicht reüssieren: „Wir brauchen Spezialprodukte und einen hohen Veredelungsgrad“. Das Know How dazu sei vorhanden aber die Marktkenntnisse nicht.

Der „Bayerische Milchgipfel“ im PresseClub am 22. September 2016. Foto: Hans Schwepfinger.

Günther Felßner, der stellvertretende Präsident des Bayerischen Bauernverbandes sah auch den Lebensmittel-Einzelhandel/LEH in einer fragwürdigen Rolle: Immer höhere Anforderungen an Milchprodukte würden nicht bezahlt. So seien genfreies Futter und Vorgaben der Tierhaltung gefordert, aber die Erzeuger könnten in der Kürze der Umstellungen nicht mithalten. Eine gewisse Abhängigkeit von drei oder vier Handelsketten verschärfe die Marktsituation unnötig. Die Milcherzeuger sollten die Chance zur einheitlichen und solidarischen Verhandlungsstrategie „im Rahmen des Kartellrechts“ nutzen.

Hans Foldenauer, Sprecher des BDM/Bundesverbands deutscher Milchviehhalter  warnte vor einer pauschalen Schuldzuweisung an den LEH: Auf Aldi sei Verlass. Große Probleme gäbe es mit den industriellen Milchverarbeitern. Zum Beispiel bei Abnahmeversprechen oder in der Zahlungsmoral. Nach Foldenauer stünden Klein- und Mittelbetriebe mit dem Rücken zur Wand. Viele hätten auf Grund des früher hohen Milchpreises „sich überreden lassen“ zu vergrößern. Diese Betriebe hätten nun „die Banken im Nacken“ und seien dringend auf Hilfspakete angewiesen.

Die Konsolidierung bei den Erzeugerbetrieben wird sich nach Meinung der Experten fortsetzen: Vor der Quote seien in Deutschland 275.000 Betriebe aktiv gewesen. Nach der europäischen Milchquote waren es nur noch 75.000 Betriebe. Aktuelle Stimmen seien zu Hören, dass die aktuelle Milchleistung auch von nur noch 30.000 Betrieben geliefert werden könne. Eine Konsolidierung sei im genossenschaftlichen Molkerei-Sektor in Bayern ebenfalls seit über 10 Jahren überfällig. Abbau von Überkapazitäten, Einsparungen und Verbesserungen in der Produktion und ein marktfähiges Produktportfolio. Diese Notwendigkeiten hätten private Molkereien schnell umgesetzt. In Bayern aber sei der Milchmarkt zu 60% genossenschaftlich organisiert. Etwa 80 regionale Genossenschaftsmolkereien müssten über Zusammenlegungen oder Aufgaben kleinerer Betriebe nachdenken. Das sei aber in der vorhandenen Kirchturm-Struktur nicht möglich.  

Text: Uwe Brückner. Fotos: Hans Schwepfinger.

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