Hubert Aiwanger beim Jungen Wirtschaftsbeirat und Presseclub München:
„Wir müssen wieder über Wirtschaft reden“

Bayerns Wirtschaftsminister fordert in München einen „Bewusstseinswandel“ in Wirtschaft und Politik – deutliche Kritik an EU, Bund und ideologischer Überregulierung
„Endlich reden wir wieder über Wirtschaft“, eröffnete Staatsminister Hubert Aiwanger seinen Vortrag beim gemeinsamen Abend des Jungen Wirtschaftsbeirats Bayern und des Presseclubs München, moderiert von Constanze von Hassel, Chefredakteurin der Bayerischen GemeindeZeitung. Die Veranstaltung stand unter dem Leitmotiv, wie Bayerns Wirtschaft den Weg in eine erfolgreiche Zukunft finden kann – ein Thema, das angesichts geopolitischer und energiepolitischer Umbrüche aktueller kaum sein könnte.
Zuvor hatte Vinzent Ellissen, Vorsitzender des Jungen Wirtschaftsbeirats, mit einem leidenschaftlichen Impuls vier „Bausteine für ein Erfolgssystem Bayern“ vorgestellt:
- eine Wirksamkeits-Taskforce, die politische Maßnahmen messbar macht,
- eine Bürokratie-Taskforce zur Entlastung der Unternehmen,
- eine Transfer-Taskforce, die Forschung stärker in marktfähige Produkte überführt,
- und eine Markt-Taskforce, die echte Innovationen statt Förderabhängigkeit stärkt.
Sein Ziel: „Ein Bayern, das Zukunft nicht von oben erzwingt, sondern von unten ermöglicht.“
Aiwanger: Wirtschaft vor Ideologie
Aiwanger knüpfte mit einem rhetorisch wuchtigen Appell an: Die deutsche Politik habe sich in den vergangenen Jahren „zu sehr von Klimahysterie und Symbolpolitik treiben lassen“. Ohne eine starke Wirtschaft drohe der Gesellschaft der Wohlstandsverlust. „Wir müssen wieder lernen, Dinge so zu sehen, wie sie sind – nicht, wie wir sie gerne hätten“, forderte er.
Besonders kritisierte er die Energiepolitik der EU: Das Verbrenner-Aus 2035, Lieferkettengesetze und Entwaldungsverordnungen seien „realitätsfremde Projekte linker Mehrheiten“. Deutschland spiele wirtschaftlich „Fußball mit Sandalen, während andere mit Profischuhen antreten“. Aiwanger plädierte für „Abrüstung der Ideologien“ und dafür, wirtschaftliche Existenz vor Klimaziele zu stellen: „Es hilft uns nichts, wenn wir grün, aber tot sind.“
Forschung, Standort und Fachkräfte
Aiwanger verwies auf die bayerischen Stärken: 538 neue digitale Start-ups im vergangenen Jahr, eine wachsende Zahl an Windkraftprojekten und Förderprogramme für Photovoltaik und Speicher. Dennoch drohe eine gefährliche Standortabwanderung: „Wir bilden die besten Köpfe aus, sie gründen hier – und produzieren dann in den USA oder Asien.“ Mit neuen Wachstumsfonds wolle Bayern dem entgegenwirken.
Auch die Fachkräftedebatte griff der Minister auf: „Wir brauchen die guten Köpfe, die fleißigen Leute – und nicht die, die Bürgergeld in allen Sprachen auf der Homepage des Sozialministeriums als Einladung verstehen.“ Leistungsbereitschaft müsse wieder belohnt werden.
Bürokratie, Bildung und Vertrauen
In der anschließenden Diskussion betonte Aiwanger, die Bürokratie sei „schneller gewachsen als die Wirtschaft“. Digitalisierung müsse künftig analoge Prozesse ersetzen, nicht nur ergänzen. Auf die Frage nach wirtschaftlicher Bildung an Schulen antwortete er: „Wir waren das Land der Ingenieure und sind zu einem Land der Philosophen geworden. Jetzt brauchen wir wieder Begeisterung für Technik.“
Zur Vertrauenskrise nach Corona sagte Aiwanger selbstkritisch: „Die Politik hat in der Pandemie zu viel von oben vorgegeben und damit Vertrauen zerstört.“ Dieses könne nur zurückkehren, wenn Politik wieder „ehrlich, nachvollziehbar und wirtschaftsorientiert“ agiere.
Kommunale Bezüge: Infrastruktur und Förderlogik
Moderatorin Constanze von Hassel lenkte das Gespräch mehrfach auf kommunale Fragen – etwa zu den Folgekosten von Infrastruktur und Förderprogrammen. Aiwanger räumte ein, dass Kommunen „durch kurzfristige Zuschüsse in langfristige Verpflichtungen getrieben“ worden seien. Er forderte, sich künftig von überdimensionierter Infrastruktur zu verabschieden: „Wir können nicht immer neue Bäder und Kindergärten bauen, nur weil es einmal Zuschüsse gibt.“
Der Abend zeigte: Zwischen politischer Leitlinie und ökonomischer Realität klafft eine Lücke – die jedoch mit Mut, Marktorientierung und Eigenverantwortung überbrückt werden könne. Aiwanger plädierte zum Schluss für einen pragmatischen Zukunftskurs:
„Wir müssen Bayern zu einem Land machen, das sich kontinuierlich neu erfindet, ohne sich selbst zu verlieren. Ein Bayern, das Freiheit in Fortschritt verwandelt.“
