Podiumsdiskussion zum Tag der Pressefreiheit: Ökonomischer Druck und Repression auf die Medien in der Türkei

von links: Bayram Aydin (Zaman), Christiane Schlötzer (SZ) und Alexander Poel (ZDF), Foto: Johann Schwepfinger

Um auf die oftmals prekäre oder gar gefährliche Situation für Journalistinnen und Journalisten in anderen Ländern aufmerksam zu machen, wird weltweit der Tag der Pressefreiheit begangen.

Neben Russland steht aktuell die Türkei im Fokus der Länder in Europa, in denen Medien mit Repressionen zu rechnen haben, wenn sie nicht der staatlichen, halb-amtlichen oder politisch opportunen Meinung das Wort reden. Auf dem Podium des PresseClub diskutierten Christiane Schlötzer, Türkei-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung und Bayram Aydin von der türkischen Tageszeitung Zaman über die aktuelle Lage für Medienschaffende in der Türkei, PresseClub-Vorstand Alexander Poel (ZDF) moderierte.

Was führt dazu, dass Reporter ohne Grenzen die Türkei in ihrem Pressefreiheits-Index auf Platz 154 von 180 führt, wollte Poel von den beiden Experten auf dem Podium wissen.
Für Christiane Schlötzer liegen die Ursachen der Beschränkungen, die sich aktuell mit dem immer noch aufrechterhaltenen YouTube-Verbot auch auf allgemeine Bürgerrechte auswirken, vor allem im nachhaltigen Machtverlust von Premier Recep Tayip Erdogan und seiner AKP.
Vor allem die letzten Kommunalwahlen hätten gezeigt, dass es die regierende Partei nicht mehr auf 50% schafft, wie noch vor einigen Jahren. Da Erdogan gerne für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren wolle, versuche er die in den letzten Monaten starke Kritik in den Medien zu beschneiden - die teilweise auf abgehörten und veröffentlichten Telefonaten fußt.
Die Türkei sei allgemein - und auch der Mediensektor - traditionell schon geteilt in sehr regierungsnahe sowie absolut kritische Medien, so Schlötzer. Seit den von Erdogan wohl überschätzten Gezi-Park-Protesten von 2013 versuche die Regierung, kritische Meinungen zurückzudrängen.

Bayram Aydin, die von Deutschland aus für die auflagenstarke Zaman arbeitet, kann das bestätigen. Er arbeitet für ein Medium, dass der Gülen-Bewegung nahe steht, die sich vor einigen Jahren und nach anfänglicher AKP-Nähe zu einem der schärfsten Kritiker von Erdogans Positionen entwickelt hat.
Er kritisierte vor allem eine ökonomische Daumenschraube, die die derzeitige Regierung der Türkei nutze, um einen Teil der Medien zu bevorzugen. Da diverse große Medienunternehmen der Türkei zugleich Teil von Konzernen sind, die beispielsweise im Bauwesen tätig sind, fördere die Regierung diese - und benachteilige damit kritische Medien. Unabhängige Werbemarkt-Forscher hätten zudem herausgefunden, dass die Regierung bei den Werbespendings die ihr nahestehenden Zeitungen oder TV-Sender bevorzuge.
Auch Christiane Schlötzer bewertet die Staatsaufträge für Medienkonzerne kritisch. So würden im Bereich Energiegewinnung immer wieder Unternehmen Aufträge ergattern, die zugleich in ihren Publikationen die Regierungsposition verträten.

Einig war sich das Podium, dass es derzeit zumeist subtile Formen von Repressionen gibt. Klassischerweise würden durch Anrufe von Ministern oder hohen Beamten Journalisten wegen ihrer Kolumnen und Meinungsartikel gefeuert. Das betreffe inzwischen wohl hunderte Kolleginnen und Kollegen in der Türkei.
Eine Tendenz gibt Hoffnung: Die Entlassenen formieren sich derzeit zu unabhängigen neuen Online-Medien. Solche Plattformen wie P24 stellen auch für Auslandsjournalisten in der Türkei inzwischen eine hervorragende Quelle dar, berichtete Christiane Schlötzer.

Text: Thomas Kletschke, Foto: Johann Schwepfinger

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