Polen – quo vadis

Polen – quo vadis. Foto: Robert Auerbacher.

„Eigentlich ist alles bekannt, aber wir haben es mal ganz authentisch gehört.“ Diesen Satz sagte eine Besucherin des Gespräches im Presseclub, das mit dem polnischen Generalkonsul Andrzej Osiak und dem früheren Berater von Präsident Lech Kaczyński, Dr. Marek Cichocki, stattfand. Nach einer kurzen Aufwärmphase, die der Konsul und Peter Schmalz alleine bestritten, ging es dann in die „Vollen“.

Nein, Polen sei nicht pressefeindlich, es gäbe auch keine Partei, die europafeindlich eingestellt sei, so Generalkonsul Andrzej Osiak, die neue Regierung habe vielleicht etwas andere Vorstellungen davon, wie Europa besser funktionieren könne. Und auch kommandiert fühle man sich nicht von Brüssel, die Kritik aus Brüssel zum Beispiel an der Flüchtlingspolitik sei nicht als überzeugende Lösung angesehen worden. Verständnis äußerte der Diplomat für die Schilderung von Peter Schmalz, dass man in Deutschland der Spruch eines höchsten Gerichtes vielleicht nicht jedem gefalle, er aber immer respektiert werde. Auch in Polen sei ein Verfassungsgericht eine hohe Instanz und erfahre Anerkennung, aber die Vorgeschichte sei anders, so der Generalkonsul: Eigentlich ging es seinerzeit um die Neubesetzung der Richterposten, und ohnehin habe ganze Streit damit begonnen, dass sich der Vorsitzende des Verfassungstribunals politisch geäußert habe. Nach einem Jahr habe sich die Auseinandersetzung verfahren. Eine Lösung zu finden, die Regierung und Opposition mittragen könnten, sei nicht einfach. Aber Hoffnung bestehe, wenn der Vorsitzende des Gerichtes turnusgemäß im Dezember ausscheide.

Peter Schmalz insistierte nochmals, dass in Deutschland die Entscheidungen des höchsten Verfassungsgerichts nicht jedem schmecken müssten, aber sie seien zu akzeptieren - ohne jeden Zweifel. Osiak wies nochmals darauf hin, dass der Vorsitzende und einige Richter sich mit der Kritik an der Regierung und PiS-Partei offen politisch betätigt hätten, statt sich auf die Entscheidung zu beschränken, ob die Gesetze verfassungskonform sind. Der Generalkonsul wies noch auf einen wesentlichen Unterschied in der Rechtspraxis hin: In Polen könne sich der einfache Bürger nicht an das Verfassungstribunal wenden.

Schwenk auf die Medien und die Pressefreiheit. Im Westen sieht man die Beschneidung der Medien mit Sorge, das war einhelliger Tenor aus dem Publikum. Andrzej Osiak rückte das vorsichtig, aber beharrlich zurecht. Die heutige Regierungspartei habe schon in der Opposition bemängelt, dass ihre konservative Meinung eher ausgeblendet worden sei. Das linksliberale Spektrum habe gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk überwogen. Dass das Pendel nun in die andere Richtung ausschlage, bedeute aber nicht, dass in Polen die Pressefreiheit beschränkt sei. Es sei immer noch zu erkennen, welche politische Meinung die einzelnen Journalisten hätten. Der Generalkonsul sprach von Identitätsjournalismus, wenn man ein Blatt kaufe, wisse man, was man liest.

Was nach Meinung des Presseclubvorsitzenden aber schwerer wiegt, ist die „Renationalisierung“ der Medien (wie auch der Banken). Neben Springer musste gerade die in Bayern starke PNP-Gruppe Anteile abgeben. Osiak wies weit von sich, dass es um die Furcht von Fremdbestimmung oder gar um eine Nationalisierung der Presse ginge. Aber die Lage sei eindeutig: Die Mehrheit der Presse gehöre ausländischen Eignern. Dennoch versuche niemand, die Presse zu nationalisieren. Und für die Passauer Verlagsgruppe sehe er keine Gefahr, die seien eher regional tätig und engagiere sich, so sein Eindruck, nicht politisch.

Ähnlich sei es bei der Neuordnung der Museen: Hier bekräftigte Andrzej Osiak, dass die Regierung nur negative und vor allem falsche Darstellung polnischer Geschichte rückschreiben wolle. Deswegen würden einzelne Exponate entfernt, aber auch in der Sprache darauf geachtet, dass es unter der deutschen Besatzung keine polnischen, sondern nur deutsche Vernichtungslager gab.

Ein weiterer Themenkomplex, zu dem Dr. Marek Cichocki, einst Berater des bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Präsidenten Lech Kaczyński, , viel beitragen konnte, war die Frage des Verhältnisses zwischen Polen und Deutschen. Cichocki sieht in dem von Frankreich, Polen und Deutschland gegründeten „Weimarer Dreieck“ ein noch heute positives Gebilde. Entstanden war es, um Polen den Beitritt zur EU zu erleichtern, nach dem Beitritt sei eine gewisse Lähmung festzustellen. Es habe an Inhalten gefehlt. Doch, so Marek Cichocki, nach dem britischen Brexit-Referendum sei eine neue Situation entstanden, bei der das „Weimarer Dreieck“ neue Bedeutung bekommen könne. Zudem würden die drei Länder das gesamte Spektrum an Problemen und Unterschieden innerhalb der EU widerspiegeln: „Frankreich steht für die Wahrnehmung der südeuropäischen Interessen, Deutschland für den Norden und Polen für den Osten.

Das britische Referendum habe auch Auswirkungen auf polnische Arbeitnehmer im Ausland. Bei ihnen bestehe nun noch höheres Interesse an Deutschland: Das ist wieder schwer angesagt.“ Andrerseits betonte der ehemalige Präsidentenberater, durch den Brexit würde sich an der Freizügigkeit nichts ändern: Für Polen seien die Freizügigkeit und das Schengen-Abkommen Tabus. Hier sieht Cichocki Spannungen aufziehen.

Den Abend beschloss ein Blick auf die Türkei. Den EU-Beitritt sehen sowohl der Generalkonsul wie auch der ehemalige Präsidentenberater skeptisch. Zudem habe sich Deutschland durch das Flüchtlingsabkommen zu sehr in die Abhängigkeit der Türkei begeben habe. Diese Auffassung, warf Schmalz ein, herrsche aber auch in Teilen Deutschlands vor.

Ein Abend über und mit Polen darf nicht ohne einen Blick auf die Kirche enden. Cichocki sieht, dass der Klerus auf Seiten des Papstes ist, das Kirchenvolk sich aber gerade in der Flüchtlingsfrage von dessen Meinung nicht ganz habe überzeugen lassen.

Text: Heinrich Rudolf Bruns. Fotos: Robert Auerbacher.

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