PresseClub Forum: Flüchtlinge - Last oder Segen für Deutschland?

Werden die vielen Flüchtlinge zur Last oder zum Segen für unser Land? Werden sie die künftigen Fachkräfte sein, nach denen deutsche Unternehmen dringend suchen? Die aktuelle Flüchtlingswelle weckt Befürchtungen und Hoffnungen zugleich. Die einen sehen das Land am Rande seiner Belastungsfähigkeit, die anderen erwarten einen Wirtschaftsaufschwung, ausgelöst durch ein neues Potential hoch motivierter Fachkräfte, an denen es in Deutschland mangelt. Wohin schlägt das Pendel? Darüber diskutierten am 17. Dezember 2015 im Münchner Presseclub Georg Schlagbauer, Präsident des Bayerischen Handwerkstags und der Münchner Handwerkskammer, der Syrien-Flüchtling Dr. Azad Hamoto und die Münchner Rechtsanwältin Marion C. Finsterwald. Die Diskussion moderierte Presseclub-Vize Peter Schmalz.

Aus erster Hand berichtete Georg Schlagbauer, der auch für die CSU im Münchner Stadtrat sitzt, über Erwartungen und Erfahrungen der bayerischen Handwerksbetriebe: "Auch in diesem Jahr haben wir zahlreiche Lehrstellen offen." Mehrere Faktoren seien dafür verantwortlich, etwa der allgemeine demographische Wandel oder die allgemeine Tendenz zur Akademisierung.

Und Flüchtlinge als Lehrlinge in Industrie, Dienstleistung und Handwerk?

Daran arbeite man schon seit Längerem intensiv, so Schlagbauer. Deutsch- und Berufsvorbereitungskurse sowie während der Ausbildung ebenfalls eine weitgehende Betreuung. Dennoch müsse man sehen, dass im Jahr etwa 70% der Ausbildungsverträge wieder vorzeitig beendet wurden.

Aber aus diesen Erfahrungen habe man gelernt und arbeite an den speziellen Anforderungen. So wurden inzwischen alle Ausbildungsberater auch zu Mediatoren weitergebildet.

Die Anforderungen der Gesellschaft und Wirtschaft auf der einen Seite - manches mal die Wünsche oder Hoffnungen der Flüchtlinge auf der entgegengesetztem Seite. Das konnten alle Podiumsteilnehmer bestätigen. Ein Beispiel: Der Azubi, der davon ausgeht, dass er sich seine Stelle teilen kann. Oder der Wunsch direkt studieren zu können.

Schließlich sind auch Immigranten und Asylbewerber so verschieden, dass es einige Baustellen gibt, an denen Freiwillige, Wirtschaft und Verwaltung arbeiten.

 Ohne die Hilfe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern geht es nicht.

Marion C. Finsterwald berichtete aus ihrer Praxis bei der ehrenamtlichen Lern-Begleitung junger Flüchtlinge. Das A und O sei der Erwerb der Sprache. In ihrer Freizeit betreut die Rechtsanwältin einen 30-jährigen Syrer. Dem jungen Mann falle es nicht immer leicht, nach der Arbeit zuhause noch einmal zwei Stunden täglich zu lernen. Doch so wie jüngere Flüchtlinge lernt auch er regelmäßig, um sich hierzulande zu integrieren. Ganz andere Aktivitäten stützen diese Verankerung. Etwa das gemeinsame Christbaumschmücken von Flüchtlingen und Helfern, mit dem ihre Gruppe in Trudering gute Erfahrungen gemacht hat.

 Auf dem gesamten Podium war man sich unterm Strich auch in einer anderen Frage einig: Wird Deutschland das schaffen? - Ganz offenbar ja. Besonders jugendliche Flüchtlinge werden gut bis sehr gut betreut. Ab einem gewissen Alter, etwa Mitte 20 sei dies schwieriger. Dann gibt es, mit Ausnahme der Arbeitsagenturen, kaum Angebote für Flüchtlinge, die durch Arbeit und Lernen vorankommen möchten.

Dass kulturelle Unterschiede eines sind, aber nicht unüberwindbar, dafür steht auch Dr. Azid Hamoto. Er flüchtete 2012 mit seiner Familie aus Aleppo vor den Bomben über die Türkei nach Deutschland. Im Rahmen eines Projekts der Roland-Berger-Stiftung betreut er heute unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.  Eine Beobachtung, die er gemacht hat: Besonders zu Anfang hätten junge Flüchtlinge die meiste Kraft und Energie. Dies müsse bei der Arbeit direkt nutzen, damit junge Immigranten schnelle Lernerfolge bekämen. Bei manchen Erwartungen, die sie hegten, müsse man allerdings auch dämpfend einwirken. Die Vorstellung, mit wenig Arbeit sehr schnell Geld verdienen zu können, gehöre auch dazu.

Einig waren sich Podium und Publikum, dass das Thema Einwanderung auch 2016 ein wichtiges Thema bleiben wird. Sicherlich wird auch das PresseClub Forum im kommenden Jahr Diskussionsveranstaltungen dazu durchführen. Mit einem eigenen Projekt für junge Flüchtlinge wird sich der PresseClub ebenfalls um deren Integration bemühen. 

Text: Thomas Kletschke, Foto: Johann Schwepfinger

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