Risiken und Chancen im modernen Japan – der japanische Generalkonsul Akira Mizutani exklusiv beim PresseClub-Forum
Beim Stichwort Japan assoziieren viele Deutsche heute: Fukushima, Abenomics und ernsten Streit zwschen China und Japan. Bekommt das High-Tech-Land Japan die Kernkraft nicht unter Kontrolle? Rutscht das Land mit Staatsschulden von enormen 245% in eine Staatspleite? Aktuell droht auch der Inselstreit mit China zu einem Krieg zu eskalieren. Erstmals stand der japanische Generalkonsul Akira Mizutani im PresseClub Rede und Antwort. Peter Schmalz moderierte.
Ein offenes Lächeln: Akira Mizutani wirkte sympathisch und freundlich. Kein Wunder, bedeutet sein Vorname etwas in dieser Richtung – hell, strahlend.
Bisher war noch kein japanischer Diplomat zu Gast bei der Diskussionsveranstaltung im Münchner PresseClub. Am 25. November kam Akira Mizutani zur Podiumsdiskussion, die der stellvertretende Vorsitzende des PresseClubs München, Peter Schmalz, moderierte. Der in Nagoya geborene Diplomat hat in Tokio sowie Göttingen studiert und begann seine Karriere im Diplomatischen Dienst zunächst in Berlin (West). Bonn zählte zu den weiteren Stationen Mizutanis. Ein guter Kenner des Gastlandes also. Mizutani wollte in dem Gespräch in München die seiner Meinung nach teilweise schablonenhafte Berichterstattung um eher unbekannte Fakten über Japan ergänzen.
Peter Schmalz wollte von dem Gast wissen, ob die Energiewende hierzulande ernster genommen werde, als in Japan. Für den Diplomaten ein wichtiges Thema. Er erinnerte an Fakten, die es seinem Heimatland im Vergleich zu anderen Nationen erschwerten, eine so schnelle Kehrtwende in der Energiepolitik zu vollziehen. „Flächenmäßig ist Japan in etwa so groß wie die Bundesrepublik. Allerdings sind 70% des Landes bergig. So stehen lediglich 30% der Fläche für größere Bebauung, Besiedlung und Landwirtschaft zur Verfügung“, so der Generalkonsul. Es sei in einigen Landesteilen daher sehr schwierig oder unmöglich, größere Windkraftanlagen oder Solarkraftwerke zu errichten, die genügend Strom liefern könnten. Das sei mit ein Grund, warum Japan sich schwer tue, gänzlich und kurzfristig auf seine 52 Atommeiler zu verzichten. Fossile Brennstoffe wie Erdgas, LNG oder Erdöl seien zumeist schwieriger – und damit zu höheren Kosten – nach Japan zu transportieren, als anderswo, ließ der Diplomat durchblicken.
Gleichwohl scheint das technikfreundliche Japan in Punkto Energiewende schon eine Veränderung zu erfahren. Denn, so Mizutani, inzwischen seien etwa 80% der Japaner für eine Abkehr von der Kernkraft. Allerdings könne und wolle man nicht von heute auf morgen diesen Weg beschreiten. In diesem Zusammenhang erwähnte er, dass Japan auch in dieser Hinsicht genau darauf schaue, wie der hierzulande beschlossene Atomausstieg umgesetzt werde. „Deutschland ist da sehr mutig“, sagte er.
Wenig Begeisterung und Unverständnis dagegen haben bei ihm, wie auch in Regierungskreisen, manche Ungenauigkeiten in der Berichterstattung über das Reaktorunglück und seine Folgen hervorgerufen. Man wundere sich schon, wenn in westlichen Medien Fotos von Menschen mit Allergieschutzmasken als Symbolfotos benutzt würden. Die Berichterstattung habe aus seiner Sicht teilweise hysterische Züge angenommen. Allerdings verstehe er, dass Deutschland mit seinen Erfahrungen nach Tschernobyl sehr sensibilisert sei für das Thema. Schließlich sei die Bundesrepublik 1986 ein „Hot Spot“ gewesen. Zudem glaube er, dass sich in Bezug auf den Umgang mit Naturkatastrophen Unterschiede in den Mentalitäten zeigten: „Wir Japaner sind Erdbeben und deren Folgen seit Jahrhunderten gewohnt. Vielleicht haben wir einen anderen Umgang damit.“ Darin gründe sich sehr wahrscheinlich auch die Zuneigung der Japaner zur Technologie; im Versuch, den Naturgewalten etwas entgegenzusetzen.
Die sehr schnelle Echtzeit-Berichterstattung habe beispielsweise andere Aspekte der Katastrophe von Fukushima schnell verdrängt: das starke Erdbeben sowie die schlimmen Auswirkungen der folgenden Tsunamis. Besonders die Todeswellen, denen 15.000 Menschen zum Opfer fielen – 2.000 Menschen gelten zudem immer noch als Vermisste – seien für die japanische Gesellschaft ein großer Schock gewesen. Sehr schnell sei dann in hiesigen Medien der Begriff „große Katastrophe“ geprägt worden. Allerdings ausschließlich in Bezug auf den Reaktorunfall und seine Folgen.
Ob denn nun bald alle japanischen Kernkraftwerke wieder ans Netz gehen würden, wollte Schmalz wissen. Mizutani sagte, dass es nicht unwahrscheinlich sei, dass in naher Zukunft zwei AKWs wieder ans Netz gehen. Allerdings seien die Sicherheitsnormen, Prüfroutinen und Tests in Wiederzulassungsverfahren heutzutage deutlich verschärft worden.
Peter Schmalz kam auf die wirtschaftlichen Beziehungen zu sprechen. Und da interessierten ihn besonders die japanisch-bayerischen Kontakte. „Wie eng sind die Beziehungen zwischen der bayerischen und der japanischen Wirtschaft?“, wollte er wissen.
Der Generalkonsul geht von 5.000 bis 6.000 japanischen Staatsbürgern im Freistaat aus. Zwischen 300 und 400 Unternehmen aus Japan seien hier tätig. „Ich glaube sie sind sehr gut verzahnt mit der hiesigen Industrie“, lautete Mizutanis Einschätzung. Vor allem in den Bereichen HighTech, Messgeräte, Feinmechanik und verwandten Branchen gebe es einen regen Austausch. „Ein japanischer Shinkansen würde zwar beschleunigen, aber nie wieder bremsen. Wenn er nicht mit deutschen Knorr-Bremsen ausgestattet wäre“, so Mizutani verschmitzt über den auch in entgegengesetzter Richtung stattfindenden Warenverkehr, der zu Kooperationen bei den neusten Generationen des japanischen Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen geführt hat.
Bei den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan konstatiert Akira Mizutani Verschiebungen. Schon heute hätten sich gut 550 japanische Unternehmen in Baden-Württemberg und Bayern angesiedelt – mehr als im Großraum um Düsseldorf, der lange Jahre als deutsches und europäisches Zentrum für japanische Unternehmen gegolten habe.
Den Machtkampf zwischen dem VW-Konzern und Toyota sieht der Generalkonsul sportlich. Bekanntlich wollen die Wolfsburger das Unternehmen mit Sitz im japanischen Toyota überholen, und weltgrößter Automobilproduzent werden. Allerdings wünscht sich der Diplomat auf europäischer Ebene einen besseren Zugang der japanischen Industrie zum EU-Markt, wie in jüngst auch Südkorea bekommen habe.
Beim Thema Staatsverschuldung relativierte der Diplomat, dass der Prozentsatz von 245% zu hoch gegriffen sei. Rechne man verschiedene Aspekte wie Devisenstützkäufe für Euro und Dollar oder Staatsanleihen, die von japanischen Unternehmen mit ihren traditionell hohen Einlagen gehalten würden, heraus, ergäbe sich eine Quote von eher 140%. Zudem habe Abenomics nicht nur das Ziel die Wirtschaft anzukurbeln. Gleichzeitig wolle man auf die auch in Japan drängende Problematik einer älter werdenden Gesellschaft eingehen. Und mit dem Programm auch in demografischer Hinsicht die Weichen neu stellen.
Sorgen bereitet dem Diplomaten derzeit vor allem der neu entbrannte Streit mit China, bei dem es um die Senkaku-Inselgruppe geht, auf die Japan seit längerer Zeit Anspruch erhebe. China habe das Territorium bei verschiedenen Gelegenheiten als japanisches Hoheitsgebiet anerkannt. Doch nachdem Ende der 1960er Jahre Rohstoffvorkommen im zur Inselgruppe gehörenden Meer gefunden wurden, hätten die Chinesen ihre Sichtweise geändert und erheben aus Sicht der japanischen Regierung nun zu Unrecht Anspruch auf die Eilande und die sie umgebenden Gewässer. Da die Chinesen den Internationalen Gerichtshof nicht akzeptierten, sei eine Einigung sehr schwer herbeizuführen. Während die USA klar Position für Japan beziehen, halten sich die Regierungen der EU-Länder bisher zurück. Auch der aktuelle Protest der deutschen Bundesregierung auf eine kürzlich von China ausgerufene Luftverteidigungszone in dem Gebiet fiel der Volksrepublik gegenüber relativ milde aus.
Auf Nachfrage sagte Mizutani denn auch, er bewundere, dass Europa einen einheitlichen Rechts-, Wirtschafts- und Verteidigungsraum schaffe. Und wünsche sich, dass die Europäer dabei desöfteren den Blick auf den Fernen Osten nicht vergäßen. Diplomatischer kann man es kaum formulieren.