Wird Politik durch Humor erträglicher?

hieß das Thema am 28. Juni, moderiert von unserm Clubchef Peter Schmalz. Würde uns ausgerechnet der „Meister des deftigen Strichs“, Horst Haitzinger, diese Frage beantworten helfen, der es eigentlich als seine Mission ansieht, sie uns unerträglicher, beißender vor Augen zu führen?

Wird Politik durch Humor erträglicher?

„Was darf Satire? – Alles!“ hatte einst Tucholsky gefordert. „Nein!“ sagt Haitzinger, „es gibt Grenzen, wo sie Menschen verletzt. Aber sie darf übertreiben! Sie darf aus einer Mücke einen Elefanten machen!“ Was er damit meint, haben wir im Anschluss an den „theoretischen“ Teil in seiner Ausstellung „Erschreckend aktuell“ im Münchner Bier- und Oktoberfest-Museum betrachten können. Die „Mücke“ will uns heimtückisch zu Leibe rücken. Die elefantösen Leiden, Schäden und Katastrophen, die sie anrichtet, führt uns Haitzinger vor Augen, mit humorvollem, aber deftigem satirischen Strich, oder gar in minutiös herausgearbeiteten, nachdenklich stimmenden ganzseitigen Aquarellen, für die er schon mal zwei Tage braucht.

Wie gelangte er zu dieser meisterlichen Zeichenkunst? Geboren 1939 in Eferdingen in Österreich, absolvierte er  nach der Hauptschule in Linz eine Ausbildung als Werbe- und Gebrauchsgrafiker. Früh fand er heraus, dass sich mit Karikaturen Geld verdienen ließ. Erste Karikaturen erschienen im „Simplizissimus“. In München studierte er 12 Semester an der Akademie der Bildenden Künste. Seine Karikaturen erschienen in den Nürnberger Nachrichten, ehe er 27 Jahre lang die Leser der Illustrierten Bunte jede Woche mit einer ganzen Seite kolorierter Zeitkritik begeisterte. „Absolute Freiheit“ habe er stets eingeräumt bekommen, die Redaktionen hätten ihm stets voll vertraut. Und: Noch nie seien ihm die Ideen ausgegangen. Heute sind es die Leser der Münchner tz, der Rheinischen Zeitung und anderer Printmedien, die er täglich – außer montags – herausfordert.

Ein neuer Lebensabschnitt öffnete sich für ihn, als er sich entschloss, auch großflächige Werke zu schaffen. Dazu brauchte er ein Atelier, das in München schwer zu finden war. In Schrobenhausen wurde er fündig. Dort hat der „Sonntagsmaler“, als den er sich selbst bezeichnet, in den vergangenen Jahren 15 Bilder geschaffen, die überwiegend die Zerbrechlichkeit unserer liebenswerten Erde zum Thema haben. Dass er dabei kein Sendungsbewusstsein entwickle, nimmt man ihm nicht ab. Da er immer wieder sonntags zum Pinsel greift, müssen die Leser der von ihm beglückten Medien montags auf ihren Haitzinger verzichten.

„Als Karikaturist muss man ein politischer Mensch sein. Man muss in Bildern denken, wobei der Erfolg nicht von hoher Aggressivität abhängt.“ Haitzinger ist ein Konservativer im besten Sinne: Er will diese Welt erhalten, politisch, friedlich, was die Umwelt und das gesunde Leben betrifft. Sein Favorit war einst Franz-Josef Strauß. Aber selbstverständlich nimmt er ebenso gern die Kanzlerin und neuerdings auch Schulz und Macron aufs Korn. Trump, Putin und Erdogan fordern ihn täglich heraus. Sie vorzuführen sei ein therapeutischer Akt für ihn.

Sein Lebenswerk bisher: Über 15.000 Zeichnungen, zahlreiche Sammelbände. Schon 1973 wurde ihm die Ludwig-Thoma-Medaille der Stadt München verliehen. 1995 und 2007 erhielt er den Deutschen Preis für die Politische Karikatur „Mit spitzer Feder“. Seit 2006 ist er Träger der Bayerischen Verfassungs-Medaille in Gold und Silber.

Im kleinen Oktoberfest-Museum, in dem man auch deftige leibliche Kost genießen kann und wo zur Zeit ein Querschnitt durch Haitzingers „erschreckend aktuelles“Œvre zu sehen ist, beantwortet er bereitwillig und geduldig unsere Fragen zu Leben und Wirken eines Karikaturisten auf seiner Gratwanderung zwischen beißender Satire und Fairness. Mit Horst Haitzinger einen der besten Karikaturisten Deutschlands im PresseClub zu Gast gehabt zu haben, das war wieder ein Höhepunkt in diesem Club-Jahr!

Text: Werner Siegert

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