Reise27.04.2012–04.05.2012

PresseClub-Informationsreise nach Kroatien

Hoffnung und Sorge
Kroatien auf dem Weg in die EU

Von Norbert Matern

Am 1. Juli 2013 will die Republik Kroatien 28. EU Mitglied werden. In der NATO ist sie bereits seit 2009. In einem Referendum am 12.Januar 2012 sprachen sich 67 Prozent der Wähler für den EU-Beitritt aus.

Eine Gruppe des Internationalen Presseclubs München hielt sich - organisiert von Mondius-Reisen - vom 23. April bis 4. Mai eine Woche in dem Balkanstaat auf - Zagreb liegt nur eine Flugstunde von München entfernt - um sich über Hoffnungen, Befürchtungen und Visionen zu unterrichten. Sie reiste durch das Land und sprach mit Journalisten im Press-Center von Zagreb, Tourismusminister Veljko Ostojic, dem Bürgermeister von Zadar Dr.med. Drazen Grgurovic, dem Pressereferenten der Deutschen Botschaft Bruno Boban, dem Geschäftsführer der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer Peter Presber, der Präsidentin der Kroatischen Handelskammer in Split Jadranka Radovanic, der Professorin Milena Persic und ihren zwei Assistentinnen von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Fachhochschule von Opatija, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Region Split, dem Diplomjuristen Zoran Kacic, Geschäftsleuten, Winzern, Gastronomen und Studenten. Da Kroatien zu rund 88 Prozent katholisch ist, konnte auch die Meinung der Kirche erfragt werden: Sie ist erst seit zwei Jahren für den EU-Beitritt.

Was erwarten Sie von der EU?

Es gilt, was Professor Dr. Ivo Goldstein, Universität Zagreb in einem Beitrag für die Zeitschrift Ost-West festhielt: „In Kroatien existiert keine Europaskepsis im wörtlichen Sinne, vielmehr handelt es sich um Vorbehalte gegenüber der EU aus Unwissen und Angst vor dem Unbekannten“. Wie werden unsere Gesetze an die EU-Regeln angepasst? Das fragen sich viele besorgt. Nur die zunehmend stärker werdende extreme Rechte lehnt den EU Beitritt strikt ab.

Als Deutschland 1991 als erstes Land die Unabhängigkeit Kroatiens anerkannte, stand der junge Staat von allen postkommunistischen Ländern am besten da. Der autoritäre Präsident auf Lebenszeit Franjo Tudjman (1922-1999) wirtschaftete Kroatien herunter. Erst nach ihm begannen Demokratisierung und Liberalisierung Viel weniger entwickelte Länder wie Rumänien und Bulgarien kamen früher in die NATO und die EU. Das erzeugte Frust bei den Kroaten.

„Was erwarten Sie von der EU?“ Die spontane Antwort des Tourismusministers von Kroatien Veljko Ostojic: „Subventionen“ und nach einer Schrecksekunde fügt er hinzu „um die neue 1000 Km lange Schengengrenze zu sichern, wir haben allein 1264 Inseln“. Verbessert werden soll die Infrastruktur in Richtung Ungarn durch eine Bahnlinie von Rijeka nach Budapest. Das kroatische Autobahnnetz entspricht bereits jetzt allen Anforderungen. Der Tourismus ist nach wie vor der wichtigste Wirtschaftszweig und trägt entscheidend zum Abbau des Handelsdefizits bei. Hotels, die nach dem Kriege (1991 bis 1995) als Unterkünfte für Flüchtlinge dienten, müssen renoviert werden. Staatliche Hilfen gibt es für den Wiederaufbau zerstörter Wohnhäuser. Da der Besitzer für den Verputz selbst zu sorgen hat, sieht man auf dem Lande viele Gebäude ohne Außenputz. Je näher man der Grenze zu Bosnien-Herzegowina kommt umso mehr Ruinen gibt es oder Häuser an denen die Einschüsse nicht beseitigt wurden. Vor allem erwartet man Hilfe bei der Reduzierung der jetzigen Arbeitslosigkeit von 20 Prozent. Wer junge Akademiker einstellt muss nur ein Gehalt von 1600 Kuna, ungefähr 200 Euro, zahlen. Krankenversicherung und Altersvorsorge übernimmt der Staat. Kroatien hofft auf mehr Vorteile auf dem internationalen Markt durch den Fortfall von Zöllen. Der Minister hofft, dass künftig weniger Kroaten für immer ins Ausland gehen. Das Ergebnis der Volkszählung aus dem Jahre 2011 verrät auch er nicht. Die Regierung hält es unter Verschluss, 1991 hatte Kroatien rund 4,5 Millionen Einwohner. Vermutlich sind es jetzt nur noch 4 Millionen.

Journalisten erwarten mehr Kontrolle der Regierenden

Erwartungen an die EU auch bei den Journalisten. Statt Festangestellten gibt es bei den 2 staatlichen und den privaten Fernsehsendern, 150 Radiostationen und 14 Tageszeitungen immer mehr Freie Mitarbeiter. Die einzige staatliche Zeitung wurde 2011 eingestellt. Im selben Jahr gab es den ersten Journalistenstreik in der Geschichte des Landes .Mehr getan werden müsse für die Kultur.

Beklagt wird die immer noch währende Korruption, Minister früherer Regierungen sitzen unter anderem wegen des Besitzes von Schwarzgeld im Gefängnis. Drei kroatische Generäle wurden wegen Kriegsverbrechen in Den Haag verurteilt. Die Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof war bei den EU-Beitrittsverhandlungen einer der wichtigsten Punkte. Justiz und Grundrechte unterliegen besonders scharfer Beobachtung. So erhofft man sich von Brüssel weiterhin Druck und Kontrolle auf die Regierenden in Zagreb und den 21 Landkreisen, den sogenannten Gespannschaften. Hingewiesen wird aber auch darauf, dass bei der älteren Generation seit der Weltwirtschaftskrise die Begeisterung für den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft nachgelassen hat. Viele glauben, dass die Preise steigen, weil die EU es so will. Nicht wenige Produkte sind so teuer wie in Deutschland und das Durchschnittseinkommen liegt umgerechnet bei nur 700 Euro.

Der Journalist und Schriftsteller Drazen Korda erzählt mit Blick auf die Eurokrise einen sarkastischen Witz: „Wir wollen in die EU, aber vielleicht gibt es sie dann nicht mehr“. Dennoch: Eltern erwarten von der EU mehr Chancen für ihre Kinder, Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb Kroatiens und Arbeitsplätze. Schon jetzt leben 300 000 Kroaten in Deutschland. Bis 1945 wohnten in Kroatien 150 000 Deutsche, heute sind es noch 3 000, also eine verschwindend kleine Minderheit. Ihre zweisprachige Zeitschrift „Deutsches Wort“ erscheint viermal im Jahr.

Förderung der Außenwirtschaft

Peter Presber - zuständig für die Förderung der Außenwirtschaft - arbeitet seit mehr als sieben Jahren in Zagreb und war vorher in Sarajewo und Moskau. Er will in Deutschland und vor allem in Bayern Mut machen, in Kroatien zu investieren, auf den EU Beitritt vorbereiten und andererseits Kroaten für Deutschland interessieren. Wenn Kroatien das einzige größere Balkanland in der EU sein wird fällt ihm eine wichtige Brückenfunktion zu seinen Nachbarn zu.

Unter den vielen kleineren Firmen, die inzwischen in Deutschland sind produziert die größte in Hamburg Nahrungsergänzungsmittel.

Presbers Büro wird zu 2/3 von Berlin und dem restlichen Drittel aus München finanziert.

Warum, so fragt er, bewerben wir den kroatischen Markt? Deutschland ist für Kroatien der zweitwichtigste Wirtschaftspartner. Die deutsche Telekom ist der größte deutsche Investor, 2/3 der deutschen Importe kommen aus Bayern. Man kann in Kroatien preiswerter produzieren, die Firma Hipp Babynahrung ist nur ein Beispiel. „Danke, dass Sie sich für unseren Markt interessieren“ lautete mit Blick auf Deutschland kürzlich eine Zeitungsüberschrift. Aus Deutschland kommt auch der größte Touristenstrom.

In der deutsch-kroatische Industrie- und Handelskammer sind derzeit 300 deutsche und kroatische Unternehmen zusammengeschlossen. Da geht es um Erfahrungs- und Informationsaustausch. In Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft engagiert sie sich gegenüber den verantwortlichen Regierungsstellen und Behörden. Aktuelle Projekte sind der Aufbau eines Donaukompetenzzentrums, Stipendienprogramme, Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung in der Ernährungswirtschaft, Entwicklung des Donau-Fernradwanderwegs und die Systemreform Berufsbildung.

Zagreb

Schon heute hängt wie an vielen öffentlichen Gebäuden auch vor dem Parlament, dem Sabor, die Europafahne. Der Besucher staunt, wie locker man dort die Sicherheit nimmt. Es gibt nur eine Bestreifung durch die Polizei. Leider ist die daneben liegenden Markuskirche mit den Wappen von Zagreb, Kroatien, Dalmatien und Slawonien auf den glasierten Dachziegeln selbst am Samstag verschlossen. Das gilt für manche katholische Kirchen im Land. Weil des auch die Kathedrale von Zadar betrifft findet der dortige katholische Bürgermeister sehr kritische Worte zur aktuellen Situation seiner Kirche. „Die verstehen die Gläubigen nicht mehr!“

Viele Besucher und andächtige Beter sieht man in der Kathedrale von Zagreb, besonders vor dem Hochaltar mit dem Schrein des Märtyrer – Kardinals Aloisius Viktor Stepinac (1898-1960). Eine Broschüre berichtet über Leben und Leiden des Zagreber Erzbischofs und den von den Kommunisten 1946 veranstalteten Schauprozess bei dem der Erzbischof sichtbar unter Drogen stand. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt, wovon er die letzten Jahre verbannt in seinem Heimatdorf verbrachte. 1998 wurde er selig gesprochen.

Wie viele andere Städte in Europa musste sich auch Zagreb etwas einfallen lassen, um auf seine reiche und lange Geschichte aufmerksam zu machen. Hier sind es die Studenten der Schauspielschule die zu nächtlicher Stunde Szenen aus dem Roman „Witch of Gric“ nachspielen. Schon während die Gäste mit je einer Laterne in der Hand die vielen Stufen zur Oberstadt hinauf klettern, sind die schwarz gekleideten Cats an ihrer Seite. Studenten in mittelalterlichen Uniformen kämpfen in den malerischen Gassen mit ihren barocken und biedermeierlichen Häusern und treiben ihr einstündiges Spektakel bis auf den Markusplatz.

Studenten bereiten sich auf die EU vor

Opatija ist die reichste Stadt des Landes und war unter den Habsburgern der exklusivste Badeort des heutigen Kroatiens. Mit dem Kaiser Franz Josef zeigte sich hier der Hochadel Europas. Viele Villen zeugen noch davon. An der Fachhochschule gibt es nicht nur Sprachkurse in Deutsch, Russisch, Chinesisch und Japanisch sondern auch spezielle Studien für Management und Tourismus. Frau Professorin Milena Persic und zwei Assistentinnen berichten an Hand von Power Point Demonstrationen wie intensiv sich Lehrende und Lernende auf den EU-Beitritt vorbereiten. Das gilt für Vorlesungen über die Geschichte Europas, Strukturen der EU, Finanzmanagement, europäisches Recht und neue Tendenzen im globalen Tourismus.

60 Prozent der Absolventen sind Studentinnen. Es ist zu hoffen, dass sie mehr Schwung in das kroatische Gastgewerbe bringen. Es genügt nicht, nur eine verfeinerte kroatische Küche zu präsentieren die zusammen mit den einheimischen Weinen Hochleistungen zu vollbringen vermag. Besser geschult werden muss das Personal, das sich manchmal noch an den kommunistischen Zeiten zu orientieren scheint. Unbedingt festzuhalten aber ist, dass vor allem in den privaten kleineren Restaurants Gastfreundschaft und bodenständige Küche groß geschrieben werden. Der Gast stellt erfreut fest, dass es im Gegensatz zu anderen Mittelmeerländern in den kroatischen Gewässern noch genügend Fische zu geben scheint.

Auf der Reise durch Kroatien fällt die deutsche Unsitte auf, Felsen mit Werbung zu beschmieren. Das gilt besonders für Bauhaus und Lidl.

KrK – die größte Adriainsel

Auf der Insel Krk hat Presseclubmitglied Nives Luneschnig eine Ferienwohnung. In nur 5 Stunden ist man von München aus auf dieser größten Adriainsel. Wer über die 1981 erbaute Brücke vom Festland die Ostseite der Insel erreicht glaubt sich zunächst auf eine Mondlandschaft versetzt. Felsiger Karst recht und links bis niedrige Büsche das Bild freundlicher gestalten und bald unvergessliche Ausblicke auf Meer, traditionsreiche kleine Städte und Dörfer das Auge erfreuen. Gemüse und Wein gedeihen unter der schon Anfang Mai warmen Sonne. Olivenöl geht auch in den Export. Welch qualitativ hochwerte Weine auf der Insel produziert werden, bewies Winzer Anton Katunar mit seinen beiden Spitzenweinen, dem Weißen Zlahtina und dem Roten Nigra. Der temperamentvolle und gastliche Winzer und Geschäftsmann bedauerte, dass man in Bayern nur billige kroatische Weine kenne. Er sucht zusätzliche Kunden in Deutschland. Die Journalisten des Presseclubs konnten sich davon überzeugen, dass Katunars Weine im direkt am Meer gelegenen und durch modernes Design bestechenden Spitzenrestaurant Le Mandrac in Opatija ausgeschenkt wurden.

An der Nord/Westküste Krks liegen die beliebtesten Badeorte. Alt und neu bilden eine Symbiose. Beispiele sind die aus dem 5. Jahrhundert stammende Basilika und das 800 Jahre alte Kastell. In den modernen Marinas schaukeln neben einfachen Booten die Yachten der Reichen und Schönen.

Weltnaturerbestätte Plitwitzer Seen

Die großartige Landschaft der 16 Plitwitzer Seen, eine der UNESCO Weltnaturerbestätten, ist oft beschrieben. Wer die Mühe scheut, über die vielen Bretterstege zu wandern und die Wasserfälle von nah zu bewundern, kann – wie die bemühte Reiseleiterin Ljiljana (Lilly) Markovic es nennt - mit einem „Bähnle“, besser gesagt Bussen, das Ganze von oben betrachten und per Schiff sein Hotel erreichen. Die Größe der Hotels und Restaurants zeigt, dass sich kaum ein Besucher Kroatiens dieses Naturwunder, diesen Nationalpark entgehen lässt. Auf dem Wege dorthin erinnern Ruinen an die harten und verlustreichen Kämpfe zwischen den Kroaten und der serbisch orientierten jugoslawischen Armee in den Jahren 1991 bis 1995.

Zadar – von der Natur gesegnet

In den alten Mauern einer Kapelle, an die heute ein Cafe angebaut ist, empfängt der Vizebürgermeister von Zadar Dr. med. Drazen Grgurovic seine Gäste. Seit Menschengedenken ist dieser auch strategisch wichtige Ort besiedelt, unter den Römern ein Municipium und Flottenstützpunkt und dann Hauptstadt Dalmatiens. Das rechtwinklige Strassenraster erinnert an eine rationale Bebauung. Sechshundert historische Monumente einschließlich der Überreste des römischen Forums haben selbst die britischen Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden. Zadar hat die älteste Universität des Landes und- wie der Bürgermeister betont, eine hochmoderne Klinik. Obwohl viele junge Mediziner ins Ausland gehen, kann man die Stellen besetzen. Ein Neurologe wird gesucht.

Zadar, so der Bürgermeister, der seine Partei mit der CDU vergleicht, ist eine Open City, wir können uns die Entwicklung ohne EU nicht vorstellen. Dann muss es mehr Schulpartnerschaften geben. Wir wollen ohne Pässe reisen. Wie wenige Politiker spricht er auch die Ängste und Sorgen der Bewohner von Zadar an. Die einst ausgelastete Werft liegt still, die Arbeitslosigkeit unter den Fischern wächst. Der Hafen lebte früher von Cargo. Bisher kamen 70 Prozent des kroatischen Fischs von uns. Was wird werden, wenn nach dem EU Beitritt portugiesische und spanische Kutter in unseren Gewässern fischen? Sie werden ein besseres, moderneres Equipment haben. Um unsere Landwirtschaft steht es schlecht. Wir haben unbestellte Felder, es fehlt das Wasser. Kein Wunder, dass die Jugend weg will. Die Wahlbeteiligung sinkt von Mal zu Mal. Unsere Bewohner sind es aus kommunistischer Zeit immer noch gewohnt, die Hand auf zu halten, nun erwarten sie alles von der EU, aber wir müssen selbst etwas tun. Wenn es mit der Nautik und der Wirtschaft nicht mehr klappt, müssen wir noch mehr in den Tourismus investieren. 5000 neue Hotelbetten sind entstanden, 50 Busse kommen täglich in unsere Stadt. Gehen Sie an unser so schön gestaltetes Ufer und sehen Sie selbst wie viele Touristen dem Klang unserer Meeresorgel lauschen. Davor sorgt die auch künslerisch anspruchsvolle kreisrunde blaue Solaranlage am Abend für die Beleuchtung. Die Wasserqualität um unsere 512 Inseln ist gut. Die Weltbank hat die Reinigung der städtischen Abwässer finanziert.

Auch Zadar wirbt mit Hochglanzbroschüren, die Stadt und Region in höchsten Tönen preisen. Zu viel Selbstlob macht misstrauisch. Zweifellos sind die Bilder prächtig und eindrucksvoll, die pathetisch lyrischen Texte schön zu lesen. Manchmal aber hat man den Eindruck von Realitätsverlust. Der Gast und Tourist braucht in erster Linie sachliche Informationen.

Etnoland – viel Steine gibt’s

Im Jahre 2004 entschlossen sich Joschko und Anna ein Sommerrestaurant zu eröffnen. Wer heute ihr Etnoland –Pakovo Selo besucht denkt unwillkürlich „viel Steine gabs und wenig Brot“. Steinig ist der Boden mit den Wacholderbüschen, Rosmarin, Lavendel und wenigen Olivenbäumen. Aus Steinen die halbhohen Mauern, aus den Steinen selbstgebaut das niedrige Gebäude in dem Anna mit rotem Kopftuch und alter Bauerntracht den Gästen humorvoll und engagiert erklärt, wie sich Familienleben dort vor hundert Jahren abspielte. Joschko, geboren in Iserlohn, in Deutschland studiert, wollte mit 30 Jahren zurück in die Heimat. Seine Mutter wohnte im Nachbardorf und dennoch machte man ihnen das Leben schwer.

Joschko erzählt: Da auf unserem steinigen Boden nichts wächst, kommen die Lebensmittel für unser Restaurant aus dem Dorf. Die Bewohner waren uns gegenüber voller Misstrauen. Da ging ich zum Bauern, der viel Schinken verkaufte. Er öffnete die Tür, ich sagte:“Ich bin dein neuer Nachbar und möchte bei Dir Schinken kaufen. Hinter ihm sah ich etwa hundert hängen. Seine Antwort. Für Dich habe ich keinen Schinken. Erst drei Tage später kam er und wir wurden handelseinig. Und so war es überall obwohl ich Kroate bin“.

Anna und Joschko sehnen den EU Beitritt herbei. Hier muss endlich Ordnung geschaffen werden. Die Grundbücher stammen noch aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia. Die Verwaltung schlampt. Mit Hilfe der EU plant die Gemeinde Wasserreinigung und Abwasserentsorgung. Ohne Wasser gibt es kein Gemüse .Der Wein braucht weniger.

Anna und Joschko sind ein Beispiel für eine geglückte Heimkehr von Deutschland in die kroatische Heimat Mit offenen Amen wurden sie nicht aufgenommen. Harte Arbeit erwartete sie. Aber sie setzten sich durch und sind heute auch Arbeitgeber für Koch, Kellner und Hilfskräfte.

Split – Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Splits weitverzweigter und legendärer Diokletianspalast ist nur ein Grund dafür, warum die Innenstadt zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die Stadtführer haben es schwer, mit ihren Gruppen ein ruhiges Plätzchen zu finden. Es wimmelt nur so von Touristen aller Herren Länder. Am Nordtor steht die 5 Meter hohe Bronzefigur eines Bischofs, der schon vor 800 Jahren von Rom das einforderte, was erst das letzte Konzil gewährte: Den Gebrauch der Landessprache in der Liturgie.

In der Nähe der eleganten und langen Uferpromenade von Split arbeitet die Kroatische Handelskammer der Gespannschaft Split.

Präsidentin Jadranka Radovanic gibt sich als überzeugte Europäerin. „Die USA sind unser Vorbild, eine Währung, eine Sprache, EU muss sein, wir können keine Insel sein“. Die Deutschen stehen bei uns im Tourismus an zweiter Stelle. Unser großes Problem ist die Arbeitslosigkeit. Jede Familie hat jemanden im Ausland. Vom 21-25 Mai tagt bei uns das Deutsch-Kroatische Forum für Investitionen. Sobald wir EU-Mitglied sind, soll Geld für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen kommen. Wir denken an die Produktion von Windrädern. Bei den erneuerbaren Energien liegt ein Teil unserer wirtschaftlichen Zukunft. Unser Staatshaushalt basierte auf zwei Säulen: dem Tourismus und den Werften. In Split liegen beide Werften weitgehend still. Subventionen kommen für sie nicht in Frage, denn die gelten als Beihilfen und die sind laut EU Recht verboten. So sind die Werften für Investoren ausgeschrieben, es geht um 10 000 Arbeitsplätze. Gebaut werden jetzt einige Luxusjachten. Eine Werft wird vielleicht China übernehmen. Für die andere ist ein kroatischer Unternehmer im Gespräch. Unsere Werften waren berühmt. 60 Prozent aller norwegischen Passagierschiffe kamen von uns. Zwei hier gebaute Schiffe gewannen den internationalen Preis für die wichtigsten Weltschiffe des Baujahrs 2011. Es ging um den brasilianischen Tanker für Obstsäfte „Orange Star“ und die für einen französischen Auftraggeber gebaute Fähre „Piana“. Natürlich hoffen wir, dass wieder große Passagierschiffe bei uns bestellt werden.

Einer unseren ersten Schritte hin auf die EU ist es jetzt, unsere Gesetze anzupassen denn 70 Prozent unseres Handels gehen in EU-Länder. Mit unseren Nachbarn, Montenegro und Bosnien-Herzegowina veranstalten wir gemeinsame Seminare zum EU Recht. Wir reorganisieren unsere Zollämter.

Was den Fischfang angeht, so verhandeln wir in Brüssel über die Fangarten. Unsere Netze sind nicht so engmaschig wie die unserer Konkurrenten.

Die Frau Präsidenten ist auch die Vorsitzende des Verbandes der kroatischen Geschäftsfrauen. 25 Prozent aller Unternehmen werden von Frauen geleitet.

Der Jurist Zoran Kacic ist Vorsitzender der Gewerkschaft in der Gespannschaft Split mit 120 000 Mitgliedern, die ein Prozent ihres Bruttolohns als Beitrag zahlen. In ganz Kroatien gibt es 325 000 Arbeitslose, in der Region Split 35 000. Es gibt keine dauernde Arbeitslosenversicherung. Wer nicht vorher neun Monate gearbeitet hat, fällt in die Sozialhilfe. Zur Lösung der vielen Probleme, der Arbeitslosigkeit, Abwanderung junger Akademiker und Facharbeiter gibt es einen Runden Tisch an dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die öffentliche Verwaltung sitzen. Gesucht werden vor allem kroatische Investoren. Mit Ausländern hat man schlechte Erfahrungen gemacht, sie haben – so Kacic - kein Interesse an den Arbeitsplätzen und bezahlen schlecht. Sie halten Verträge nicht ein, und bleiben mit Gehältern Monate im Rückstand.

Männer gehen mit 67, Frauen mit 65 Jahren in Pension. Fünf Jahre vorher ist eine Frühverrentung möglich.

Die Kirche, - so Kacic - steht an der Seite der Arbeiter. Gemeinsam mit den Gewerkschaften kämpft sie mit Blick auf die berufstätigen Mütter für den arbeitsfreien Sonntag.

Von der neuen sozialdemokratischen Regierung erhoffen sich die Arbeitnehmer mehr Verständnis. Das erklärte Staatsziel heißt Entschuldung. Da Kacic Gewerkschaftsmitglieder auch in Arbeitsgerichtsprozessen vertritt, hat er Erfahrungen mit der Justiz. „Unsere Gerichte sind zu langsam, ich führe einen Prozess der schon 16 Jahre lang dauert“.

Mit Blick auf den EU-Beitritt gibt es keine Diskussionen: „Alle kroatischen Gewerkschaften sind dafür“.

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